Gewerbeformulare: Scheinselbstständigkeit vermeiden.

Scheinselbstständigkeit im Handwerk: Kriterien & Folgen

Letzte Aktualisierung am 8. Juli 2024 von Alex Mroos

Bild: RRF / stock.adobe.com

Wer als Selbstständiger auftritt, im rechtlichen Sinne jedoch eigentlich abhängig beschäftigt ist, fällt unter die sogenannte Scheinselbstständigkeit. Das kann mehrere Probleme zur Folge haben: Unter anderem die Aberkennung des Freiberufler-Statuses sowie die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Betroffen von Scheinselbstständigkeit kann jeder sein, der Auftragsarbeit verrichtet – das Risiko der Scheinselbstständigkeit ist also auch für selbstständige Handwerker verhältnismäßig hoch. 

Wie sich Scheinselbstständigkeit erkennen, überprüfen und vermeiden lässt, erklären wir in diesem Beitrag. 

Was versteht man unter Scheinselbstständigkeit?

Im Gegensatz zu Beschäftigten sind Selbstständige grundsätzlich nicht zur Sozialversicherung verpflichtet, sie müssen dementsprechend also nicht zwingend Beiträge zur Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung zahlen. Ob sie sich gegen etwaige Risiken absichern, ist ihnen dementsprechend selbst überlassen. Entscheidend ist jedoch, dass der Status der Selbstständigkeit auch zutrifft. Zu den Merkmalen für eine tatsächliche Selbstständigkeit zählen dabei: 

  • Freie Gestaltung von Arbeit und Tätigkeit
  • Selbstbestimmung der Arbeitszeit
  • Freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft
  • Unternehmerische Entscheidungsfreiheit
  • Unternehmerisches Risiko

Treffen diese Kriterien in Teilen nicht zu, kann eine Scheinselbstständigkeit vorliegen. Die Prüfung der Scheinselbstständigkeit fällt in der Regel jedoch komplex aus und die Beurteilung ist letztlich vom Gesamtbild der Verhältnisse des vermeintlich Selbstständigen abhängig. Auch für die Scheinselbstständigkeit lassen sich jedoch Merkmale ausmachen. Hinweise auf eine nichtselbstständige Beschäftigung sind hier nach § 7 Abs. 1 SGB IV die Tätigkeit nach Weisung sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. 

Eine Tätigkeit nach Weisung erkennt man anhand des Weisungs- beziehungsweise des Direktionsrechts, mit dem Arbeitgeber in folgenden Punkten über Arbeitnehmer bestimmen können: 

  • Arbeitszeit
  • Arbeitsort
  • Arbeitsdauer
  • Art der Ausführung der Arbeit

Für die Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines Betriebes sprechen folgende Punkte: 

  • Entgeltfortzahlungen bei Urlaub oder Krankheit
  • Anspruch auf Urlaub
  • Fester Arbeitsplatz sowie Verwendung von Arbeitsmitteln des Arbeitgebers
  • Vergütung von Überstunden

Ein weiterer Anhaltspunkt für die Eingliederung in die Arbeitsorganisation kann außerdem eine Vereinbarung über betriebliche Sozialleistungen, wie beispielsweise einer betrieblichen Altersvorsorge oder Vermögenswirksamen Leistungen, zwischen Auftragnehmer und Arbeitgeber sein. Es spricht außerdem für eine Scheinselbstständigkeit, wenn der Auftragnehmer in der Regel über einen längeren Zeitraum nur für einen einzigen Auftraggeber tätig ist und die von ihm erteilten Aufträge einen bestimmenden Anteil am Umsatz des Auftragnehmers haben. 

Lassen sich bei einem vermeintlich Selbstständigen die Tätigkeit nach Weisung sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation feststellen, kann das für eine Scheinselbstständigkeit sprechen, sodass gegebenenfalls eine Untersuchung eingeleitet werden kann. 

Wie lässt sich Scheinselbstständigkeit feststellen? 

Für die Prüfung auf Scheinselbstständigkeit können verschiedene Stellen in Frage kommen. Der Status lässt sich beispielsweise vom Deutsche Rentenversicherung Bund, dem zuständigen Finanzamt, einem Arbeitsgericht oder über die Sozialversicherungen ermitteln. So können sowohl Auftragnehmer als auch Auftraggeber einen Antrag für ein sogenanntes optionales Anfrageverfahren stellen, um dauerhaft rechtliche Sicherheit zu gewährleisten und eine Scheinselbstständigkeit auszuschließen. Häufig werden die Anfragen jedoch auch von einer dritten Instanz gestellt. Zum Beispiel von einer Krankenkasse, die eine Scheinselbstständigkeit bereits vermutet und die zu entrichtenden Beiträge nachfordern möchte. 

Bei diesem sogenannten Statusfeststellungsverfahren wird dann der sozialversicherungsrechtliche Status überprüft und ermittelt. Allerdings kann sich eine Prüfung immer nur auf ein konkretes Vertragsverhältnis beziehen. Hat der vermeintlich Selbstständige mehrere Auftraggeber, muss auch jedes dieser Vertragsverhältnisse einzeln geprüft werden. Es ist nämlich durchaus möglich, dass die Selbstständigkeit zwar auf eines oder mehrere Vertragsverhältnisse zutrifft, es sich bei anderen jedoch eigentlich um eine abhängige Tätigkeit handelt, die im rechtlichen Sinne sozialversicherungspflichtig wäre. 

Welche Folgen kann die Scheinselbstständigkeit haben?

Wird in einem Statusfeststellungsverfahren tatsächlich ermittelt, dass es sich um Scheinselbstständigkeit handelt, hat das verschiedene Konsequenzen: 

  • Versicherungspflicht für den zuvor Selbstständigen. 
  • Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses müssen zurückgezahlt werden. 
  • Der zuvor selbstständig Beschäftigte muss ein vollwertiger Angestellter werden. 
  • Ausgewiesene Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug der Selbstständigen werden ungültig. 
  • Ggf. rechtliche Verfahren wegen Steuerhinterziehung (bei Vorsatz). 

Grundsätzlich gilt die Versicherungspflicht und die damit verbundenen Beitragszahlungen rückwirkend ab Beginn des Vertragsverhältnisses. Je länger das Arbeitsverhältnis also bereits besteht, desto höher fallen die Rückzahlungen aus. Dementsprechend sinnvoll ist es, das optionale Statusfeststellungsverfahren bei Unklarheiten ziemlich zu Beginn des Vertragsverhältnisses einzuleiten, um spätere Unstimmigkeiten auszuräumen und Rechtssicherheit zu garantieren. 

Eine Sonderregelung zur Rückzahlung von Beiträgen ergibt sich, wenn das Statusfeststellungsverfahren innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit beantragt wird, denn dann besteht die Möglichkeit, dass die Sozialversicherungspflicht erst eintritt, wenn die Entscheidung zum Status bekannt gegeben wird. Diese Regelung kann jedoch nur greifen, wenn der Arbeitnehmer diesem späteren Beginn der Versicherungspflicht zustimmt und sich in der Zeit zwischen Beginn des Vertragsverhältnisses und der Entscheidung über den Status selbst eine Absicherung vorgenommen hat, welche dieselben Leistungen zur Sozialversicherung bietet. 

Wie lässt sich Scheinselbstständigkeit vermeiden?

Die Konsequenzen von Scheinselbstständigkeit können gravierend sein und gerade kleinere Unternehmer in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Es macht also Sinn sowohl als Auftragnehmer als auch als Auftraggeber von Beginn an ein Verhältnis der Scheinselbstständigkeit möglichst zu vermeiden: 

  • Über rechtliche Situation informieren
  • Vertrag genau überprüfen
  • Direktionsrecht eindeutig beim Selbstständigen belassen
  • Arbeitsort und -mittel trennen
  • Als Selbstständiger Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund stellen

Sollte darüber hinaus noch Unklarheit bestehen, kann das oben beschriebene Statusfeststellungsverfahren sowohl von Auftragnehmer als auch Auftraggeber beantragt werden. 

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