Freundlicher Handwerker hört zu und schreibt Kundenwünsche auf

Kundenbindung im Handwerk

Foto von Daniel Ernst – stock.adobe.com

„Servicewüste Deutschland“, „Störenfried Kunde“ oder „Abzocker in Blaumännern“ – die Urteile mancher Kunden in Bezug auf Handwerksunternehmen sind nicht besonders schmeichelhaft. Im Gegensatz zu Unternehmen im Handel haben viele Betriebe im Handwerk die Bedeutung der Kundenbindung als für sie irrelevant abgetan. Doch diese Zeiten sind inzwischen vorbei. Ein Großteil der Handwerksbetriebe hat erkannt, dass eine erfolgreiche Kundenbindung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein kann. Der nachfolgende Beitrag klärt darüber auf, warum Kundenbindung so wichtig ist, wie sie gemessen werden kann und wie langfristig gute Kundenbeziehungen entstehen.

Warum ist Kundenbindung so wichtig?

Es ist eine der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Weisheiten und doch kennen sie viele Handwerker nicht: Statistisch gesehen ist es ungefähr fünfmal teurer, einen Neukunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten. Auf gut Deutsch: Es ist wesentlich günstiger, in die Bindung bereits vorhandener Kunden zu investieren, als Geld in die Gewinnung von Neukunden zu stecken.

Zu diesem Faktum gesellt sich ein weiteres Argument, und zwar der „Customer Lifetime Value“. Auch bei den meisten Handwerksbetrieben gilt, dass Stammkunden mehr Geld ausgeben als Einmal- oder Gelegenheitskunden.

Ein weiteres Argument, warum eine gute Kundenbindung so wichtig ist, ist der Marketingeffekt von Stammkunden. Zufriedene Kunden haben erwiesenermaßen eine wesentlich höhere Bereitschaft, positiv über einen Handwerksbetrieb zu sprechen und ihn weiterzuempfehlen als andere Kunden. Über viele Jahre gebundene Kunden sind somit ein sehr effizientes und zugleich preiswertes Marketinginstrument.

Nicht zuletzt zeigt sich der Wert von Stammkunden besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. In Krisensituationen bleiben Stammkunden einem Handwerksbetrieb in der Regel wesentlich eher treu als Einmal- oder Gelegenheitskunden.

Erwartungen und Bedürfnisse verstehen

Grundvoraussetzung, um die Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen Deiner Kunden zu verstehen, ist, dass Du Informationen über Deine Kunden besitzt. Dieser Aspekt wird von Handwerksbetrieben nicht selten unterschätzt. Vielfach meinen sie, ihre Kunden auf Grundlage gelegentlich geführter Gespräche gut zu kennen. Ein Irrtum – wie sich spätestens beim Verlust des Kunden herausstellt.

Um in den Besitz von Informationen über Deine Kunden zu gelangen, musst Du diese sammeln und auswerten. Auch Handwerker sollten deshalb Marktforschung betreiben und regelmäßig ihre Kunden befragen. Nur so bleibst Du hinsichtlich der Bedürfnisse und Erwartungen Deiner Kunden auf dem Laufenden und kannst Dein Angebot ständig danach optimieren.

Aber nicht nur Kunden sollten befragt werden, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. In vielen Fällen sind diejenigen Mitarbeiter, die direkt im Kundenkontakt stehen, die besten Kenner der Kundenbedürfnisse und -erwartungen. Häufig wird deren Wissen über die Kundschaft nicht systematisch abgefragt – ein großer Fehler.

Stichwort „direkter Kundenkontakt“: Auch im Handwerk ist es von zentraler Bedeutung, direkten Kontakt zu Deinen Kunden zu suchen. Das Handwerk ist schließlich ein Geschäft von Mensch zu Mensch, weshalb es wichtig ist, menschliche Zwischentöne herauszuhören. Wenn Du keine persönlichen Treffen mit Deinen wichtigsten Kunden arrangieren kannst, dann rufe sie hin und wieder an, um Dir ein Feedback zu den Leistungen Deines Betriebs einzuholen. Ein persönliches Feedback ist immer noch die beste Grundlage, die Bedürfnisse und Erwartungen von Kunden zu verstehen. Im Rahmen eines Feedbacks erfährst Du immer, ob die Erwartungen des Kunden möglicherweise nicht ganz erfüllt wurden oder an dessen Bedürfnisse vorbei gearbeitet wurde.

Strategien zur Kundenbindung

„Der Kunde ist König“ – diesen Leitspruch haben die meisten Handwerksbetriebe wahrscheinlich so häufig gehört, dass sie ihn gar nicht mehr ernst nehmen. Ein Fehler, denn letztlich bringt der Leitsatz die vollständige Kundenorientierung eines Betriebs zum Ausdruck. Viele Handwerker fokussieren sich zu stark auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen und vergessen dabei, dass die Interessen des Kunden immer im Vordergrund stehen sollten. Den Kunden in den Mittelpunkt des eigenen Handelns zu stellen, ist somit die wichtigste Grundregel für eine effektive Kundenbindung.

Diese Strategie gelingt, in dem Du die Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden jederzeit in vollem Umfang erfüllst. Noch besser ist es, wenn Du die Erwartungen Deiner Kunden übererfüllst. Das sorgt immer für einen positiven Überraschungseffekt. Vor allem im Handwerk sind es viele Kunden nicht gewohnt, positiv überrascht zu werden. Eine Übererfüllung der Kundenerwartungen ist demnach eine der effizientesten Strategien zur Kundenbindung.

Eine Strategie zur Kundenbindung, die von Handwerkern weitgehend außer Acht gelassen wird, ist der Einsatz eines Customer Relationship Management Systems. Viele Betriebe halten sie für überdimensioniert und zu aufwändig in der täglichen Anwendung. Doch inzwischen gibt es spezielle CRM-Systeme, die die speziellen Erfordernisse von Handwerkern adressieren. Die effiziente Verwaltung aller Kundendaten und -informationen ist die beste Grundlage für eine Verbesserung der Kundenbindung.

Nicht zuletzt solltest Du als Handwerker auch die sozialen Medien als strategisches Instrument zur Kundenbindung einsetzen. Viele Handwerker sind in dieser Frage sehr verhalten und halten den Nutzen von Social Media für überschaubar. Doch das Interesse von Menschen an handwerklichen Themen ist groß. Mach Dir dieses Interesse zunutze und bediene es mit interessanten Beiträgen, die die Probleme von Menschen lösen und auf Dich aufmerksam machen. Besonders Video- und Bildinhalte können sehr viele Menschen erreichen und helfen auch bei der Azubisuche.

Ein langfristig erfolgreicher Beziehungsaufbau

Handwerksbetrieben stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Die nachfolgende Liste ist nur ein kleiner Auszug aus den Möglichkeiten, die Dir in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehen. Deiner Kreativität sind dabei kaum Grenzen gesetzt.

  • Mit Giveaways überraschen: Giveaways sind Klassiker aus dem Instrumentenkasten der Kundenbindung. Eine kleine Aufmerksamkeit freut jeden Kunden und erinnert ihn an den Geschenkgeber. Die Betonung liegt dabei auf dem Wort „überraschen“. Ein Giveaway sollte nicht jedes Mal zum gleichen Zeitpunkt kommen, sondern idealerweise für eine positive Überraschung beim Kunden sorgen.
  • Ein Netzwerk aufbauen: Bei der langfristigen Kundenpflege ist es wichtig, dass Du Dich nicht nur auf einen Ansprechpartner bei Deinem Kunden konzentrierst. Falls dieser das Unternehmen verlässt, stehst Du plötzlich ohne Kontakt da. Viel besser ist es, ein Beziehungsnetzwerk zu mehreren Personen bei Deinen wichtigsten Kunden aufzubauen. So wird Deine Kundenbeziehung wesentlich tragfähiger und Du profitierst vom positiven Nebeneffekt, dass Du noch mehr über Deinen Kunden erfahren kannst.
  • Auf dem Laufenden halten: Eine gute langfristige Kundenbeziehung basiert auf Aktualität. Halte Deine Kunden regelmäßig auf dem Laufenden darüber, welche Neuerungen es bei Produkten und Leistungen gibt. Das erhöht Deine Wahrnehmung bei den Kunden und weckt deren Interesse, etwas Neues in Anspruch zu nehmen.
  • Biete einen Sonderstatus: Wer hat nicht gerne einen Sonderstatus? Hotels und Fluggesellschaften machen es seit vielen Jahren erfolgreich vor. Wer ihre Dienste häufig in Anspruch nimmt, bekommt eine bevorzugte Behandlung. Warum nicht auch im Handwerk? Gewähre Deinen VIP-Kunden einen Sonderstatus in Form von besseren Zahlungsbedingungen, einer schnelleren Termingewährung oder kulanten Reklamationslösungen.
  • Gib Geld zurück: Menschen freuen sich erwiesenermaßen über Bonussysteme. Mach Dir dieses Wissen zunutze und biete Deinen Kunden ein Bonussystem an, über das sie Rabatte sammeln können. So kannst Du aus so manchem Gelegenheitskäufer einen Stammkunden machen.

Die Kundenbindung messen

Handwerker können die Bindung von Kunden an ihren Betrieb genauso messen und auswerten wie andere Unternehmen. Jeder Handwerksbetrieb, der die Kundenbindung ins Zentrum seines Handelns stellt, sollte sich deshalb mit den folgenden Kennzahlen auseinandersetzen:

Kundenbindungsrate

Die Kundenbindungsrate, häufig auch mit dem englischen Begriff „Customer Retention Rate“ bezeichnet, drückt aus, welcher Anteil der Kunden über einen bestimmten Zeitraum erhalten geblieben ist. Die Formel zur Berechnung der Kundenbindungsrate sieht wie folgt aus:

(Kundenanzahl am Ende des Zeitraums – Anzahl der Neukunden im Zeitraum) / Anzahl der Kunden zu Beginn des Zeitraums x 100

Eine Kundenbindungsrate von 90 Prozent zeigt beispielsweise an, dass neun von zehn Kunden zum Ende eines Jahres bereits zum Jahresbeginn Kunden waren. Je höher also die Kundenbindungsrate, desto besser.

Abwanderungsrate

Die Abwanderungsrate (auf Englisch „Churn Rate“) ist das Gegenstück zur Kundenbindungsrate und zeigt an, welcher Prozentsatz der Kunden in deinem Betrieb innerhalb eines bestimmten Zeitraums verloren gegangen ist. Die Formel für die Abwanderungsrate ist wie folgt:

(Anzahl der Kunden zu Beginn des Zeitraums – Anzahl der Kunden am Ende des Zeitraums) / Anzahl der Kunden zu Beginn des Zeitraums x 100

Im Unterschied zur Kundenbindungsrate gilt für die Abwanderungsrate selbstverständlich, je niedriger, desto besser.

Der Customer Lifetime Value

Für diesen englischen Begriff gibt es keine direkte deutsche Übersetzung, obwohl er eine der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen ist. Der Customer Lifetime Value gibt Auskunft darüber, welchen (geschätzten) Wert ein Kunde im Laufe der gesamten Geschäftsbeziehung mit Deinem Betrieb hat. Der CLV ist demnach eine der wichtigsten Grundlagen zur Beurteilung, welche Kunden die wichtigsten sind und bei wem es sich auszahlt, in die Kundenbindung zu investieren.

Es gibt verschiedene Methoden, den Customer Lifetime Value rechnerisch zu ermitteln. Die folgende Methode ist eine der gebräuchlichsten:

Deckungsbeitrag x Wiederkaufrate x Jahre der Geschäftsbeziehung

Die Wiederkaufrate

Die Wiederkaufrate (auf Englisch „Repeat Purchase Rate“) gibt den Prozentsatz der Kunden an, die mehr als einmal bei Deinem Betrieb eingekauft haben. Die Formel lautet:

Anzahl der Kunden, die mehr als einmal eingekauft haben / Gesamtzahl der Kunden

Eine hohe Wiederkaufrate ist ein Indikator für eine hohe Kundenzufriedenheit.

Fazit

Die Kundenbindung ist heutzutage auch für Handwerksbetriebe ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die gute Nachricht ist, dass Handwerkern ein großer Werkzeugkasten an möglichen Kundenbindungsmaßnahmen zur Verfügung steht. Je nach Handwerk bieten sich unterschiedliche Maßnahmen an, um eine langfristig gute und tragfähige Beziehung zu den wichtigsten Kunden aufzubauen. Kundenbindung kostet Zeit und auch ein wenig Geld. Es ist aber eine Investition, die sich langfristig immer auszahlt.

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