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Den Unternehmenswert im Handwerk berechnen

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Bei rund einem Viertel bis zu einem Drittel der mehr als eine Million Handwerksbetriebe in Deutschland liegt das Alter der Inhaber beziehungsweise Inhaberinnen bei über 55 Jahren. Eine zunehmende Zahl davon beschäftigt deshalb die Nachfolgeregelung durch Erbschaft, Schenkung oder Verkauf. Schnell stellt sich dann die Frage nach dem Unternehmenswert. Dessen Berechnung erfolgt – abhängig von den jeweiligen Erfordernissen und Bedingungen – mithilfe unterschiedlicher Verfahren.

Verschiedene Methoden zur Unternehmensbewertung

Bei der Ermittlung des Firmenwerts handelt es sich um keine Wissenschaft. Neben „harten Fakten“ und akademischen Modellen beruhen die Methoden zwangsläufig auf einigen Annahmen. Deshalb hängen die Ergebnisse erheblich von der Objektivität der durchführenden Personen ab. Speziell bei kleineren Handwerksbetrieben mit begrenztem Budget spielt zudem ein vertretbarer Aufwand für die Ermittlung eine nicht unwesentliche Rolle. So ergeben sich in der Praxis mehrere gängige Möglichkeiten, den Wert deiner Firma zu berechnen.

Ertragswertverfahren

Dieses am häufigsten eingesetzte, auch Discounted Cash-Flow (DCF) Methode bezeichnete, Verfahren eignet sich für beinahe jedes Unternehmen. Als Grundlage dafür dient der durchschnittliche Ertrag vor Zinsen und Steuern (EBIT) aus den vergangenen drei Jahren. Kombiniert mit den geschätzten Ertragserwartungen der kommenden drei bis fünf Jahre ergibt sich eine Durchschnittssumme. Diese teilst du durch den sogenannten Kapitalisierungszinssatz. Der wiederum setzt sich aus dem erzielbaren Zins einer vergleichbaren, jedoch risikolosen Geldanlage und einem Zuschlag für das mit der Investition verbundene Risiko zusammen.

Ein Beispiel: Die jährliche Ertragserwartung von 50.000 Euro führt bei einem angenommenen Kapitalisierungszinssatz von 10 bis 20 Prozent zu einem Ertragswert zwischen 250.000 und 500.000 Euro. Als wesentliche Herausforderungen ergeben sich bei dieser Methode die nachvollziehbare Prognose des zukünftigen EBIT und das Festlegen eines objektiven Zinssatzes.

Vereinfachtes Ertragswertverfahren

Insbesondere die Finanzämter nutzen das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Berechnung von Schenkungs- und Erbschaftssteuern. Hierfür multiplizieren sie den Durchschnittsertrag der vergangenen drei Jahre mit einem durch das Bundesfinanzministerium festgelegten Kapitalisierungsfaktor. Seit 2016 beträgt dieser veränderbare und vom Basiszins abhängige Wert 13,75. Die weniger aufwendige vereinfachte Methode verzichtet auf eine Prognose und berücksichtigt in der Zukunft erwartbare Erträge nicht.

Substanzwertverfahren

Bei dieser problemlos anzuwendenden Alternative gilt es, zunächst den aktuellen Verkehrswert aller Vermögensgegenstände zu ermitteln. Darunter fallen Immobilien, Maschinen, Fahr- und Werkzeuge sowie vorhandene Warenlager des Unternehmens mit ihrem jeweiligen Zeitwert. Abzüglich der Verbindlichkeiten ergibt sich daraus der Substanzwert. Die schlecht zu bewertenden immateriellen Werte wie das gute Image, der feste Kundenstamm und hoch motivierte Mitarbeitende fallen hier meist „unter den Tisch“. Vom Liquidationswert sprechen Fachleute, wenn die vorhandenen Wirtschaftsgüter unter dem Gesichtspunkt zu erzielender Verkaufserlöse in die Bewertung eingehen. Er stellt somit das absolute Minimum des Unternehmenswertes dar.

In der Literatur finden sich zudem Varianten, die den Unternehmenswert aus Substanzwert und Ertragswert in jeweils unterschiedlicher Gewichtung gemeinsam berücksichtigen. Der bei börsennotierten Unternehmen aus dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage der Aktionäre entstehende Marktwert kommt im Handwerk selten zum Tragen. Lediglich wenn besondere Innovationen oder Alleinstellungsmerkmale vorliegen, kann er den Unternehmenswert – bei eigentlich niedrigem Substanzwert – spürbar erhöhen. Insgesamt berücksichtigt er alleine jedoch die Rahmenbedingungen in Handwerksbetrieben oder bei anderen KMU nicht ausreichend.

Viele spezifische Aspekte mit Einfluss auf den Firmenwert im Handwerk

Zu den Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung im Handwerk gehören beispielsweise

  • die häufig direkt durch die Inhaber beziehungsweise Inhaberinnen wahrgenommenen Managementaufgaben. Deren Persönlichkeit beeinflusst demnach die Ertragslage stark.
  • der Mangel an rein betriebswirtschaftlichen Planungsmethoden.
  • eine Verflechtung von Betriebs- und Privatvermögen mit Blick auf die Haftung.
  • der Einfluss privat motivierter Zielsetzungen bei unternehmerischen Tätigkeiten.

Der zeitliche Aufwand für die Berechnung des Firmenwerts hängt erheblich von der Verfügbarkeit der erforderlichen Daten und Informationen ab. In jeden Fall macht es Sinn, den Steuerberater und weitere Fachleute hinzuzuziehen. Hier hilft dir beispielsweise die Expertise der Handwerkskammern. Deren organisationseigene Berater und Beraterinnen unterstützen ihre Mitgliedsunternehmen weitgehend kostenfrei.

Bundeseinheitliches Bewertungsverfahren für das Handwerk

Eine sachgerechte, neutrale und realistische Ermittlung des Unternehmenswerts verspricht die “Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk”, kurz AWH. Ihre Methode basiert auf dem Ertragswertverfahren und zusätzlichen Informationen aus den Jahresabschlüssen. Darüber hinaus berücksichtigt sie neben der Konjunktur- und Branchenentwicklung sowie der Stärke von Mitbewerbern bei Bedarf weitere Aspekte. Dazu zählen

  • das Anlagevermögen und die Eigentumsverhältnisse,
  • die Kunden- und Lieferantenbeziehungen,
  • die Mitarbeiterstrukturen sowie
  • die Abhängigkeit vom Chef der Firma.

Der Gewinn – abzüglich eines marktgerechten Gehalts für die Geschäftsführung – bleibt weiterhin die wesentliche Größe. Allerdings mindern ein vorhandener Investitionsstau oder Abhängigkeiten von einzelnen Kunden den Unternehmenswert. Das AWH-Verfahren gilt als ausgesprochen praxisorientiert und liegt beim Ergebnis meist sehr nahe an den tatsächlich erzielten Verkaufspreisen. Finanzämter, Kreditinstitute und Fördereinrichtungen akzeptieren es ohne größere Probleme.

Die Wahl der geeigneten Methode zur Berechnung des Unternehmenswerts

Grundsätzlich kommen die beschriebenen Verfahren für alle Rechtsformen von Handwerksbetrieben in Betracht. Bei der Kapitalgesellschaft mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit, etwa einer GmbH, gewinnen Faktoren wie der Marktwert oder das Eigenkapital an Bedeutung. Daher findet bei der Unternehmensbewertung meist die DCF-Methode Anwendung. Einzelunternehmen und Personengesellschaften berechnen den Wert häufiger anhand der Vermögenswerte und ohne die vorhandenen Schulden. Letztere bleiben dann bei den Übergebenden.

Das weniger zeitaufwendige vereinfachte Ertragswertverfahren liefert eine schnelle Einschätzung des Firmenwerts. Insbesondere bei weitgehend stabilen und vorhersehbaren Gewinnerwartungen führt es zu einer realistischen Unternehmensbewertung. Mitunter weckt es allerdings falsche Erwartungen, da sich Inhaberinnen und Inhaber oft vom „gefühlten“ Wert leiten lassen. Unsicherheiten in den Prognosen oder beim Kapitalisierungsfaktor finden keine Berücksichtigung. Die Finanzverwaltung akzeptiert das Verfahren in erster Linie unter dem für sie wichtigen Aspekt der Steueroptimierung. Vorrangig nutzt sie es, um die Erbschafts- oder Schenkungssteuer festzulegen. Der für dich passende Verkaufspreis steht dabei weniger im Fokus.

Wenn du es genauer wissen möchtest beziehungsweise konkrete Verkaufsgespräche anstehen, empfiehlt es sich, einen höheren Aufwand zu betreiben. Bereits eine vergleichende Betrachtung oder die Kombination mehrerer Verfahren unter verschiedenen Annahmen zeigt die Bandbreite auf, in der sich der mögliche Unternehmenswert bewegt. Nachvollziehbare, schlüssig hergeleitete und überprüfungssichere Ergebnisse für deinen Handwerksbetrieb bietet das Ertragswertverfahren nach dem AWH-Standard.

Weitere Tipps zur Unternehmensbewertung im Handwerk

Zwangsläufig wirkt sich eine vorgefertigte Meinung oder die persönliche Betroffenheit auf das Ergebnis aus. Das zeigt sich etwa durch die Wahl der Bewertungsmethode sowie bei den Annahmen für ein zukünftiges Wachstum und der Gewichtung einzelner Faktoren. Über diese mögliche Voreingenommenheit müssen sich die Beteiligten im Klaren sein.

Nicht immer führen kompliziertere Verfahren zu einem „besseren“ Unternehmenswert. Diese Art von Scheingenauigkeit bildet mitunter die bewusste wie unbewusste Subjektivität der Bewertenden noch stärker ab. Die Unternehmensbewertung solltest du selbst verstehen und anderen mit einfachen Worten erklären können.

Schließlich schadet auch ein gedanklicher Perspektivwechsel nicht. So erweist sich die Frage, wie viel Gewinn sich der Firma in den nächsten vier bis sieben Jahren voraussichtlich entnehmen lässt, als guter Anhalt für den Unternehmenswert. Regelmäßig möchten potenzielle Käuferinnen und Käufer ihre Investition spätestens innerhalb dieses Zeitraums amortisieren.

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