4-Tage-Woche im Handwerk – Wie gelingt die Umsetzung?

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Im Handwerk und auch in anderen Branchen ist die Arbeitszeit ein zentrales Thema. Inzwischen sprechen immer mehr Wirtschaftsexperten und Politiker über die Möglichkeiten, die die 4-Tage-Woche bietet. Inzwischen gibt es mehrere internationale Studien, die sich mit den Vorteilen, aber auch den Nachteilen der verkürzten Arbeitszeitmodelle befassen.

Neue Arbeitszeitmodelle machen Unternehmen attraktiver

Die aktuellen Studien und Umfragen weisen darauf hin, dass die Arbeitszufriedenheit in Deutschland in den Jahren seit 2012 deutlich gesunken ist. Viele Deutsche klagen über Stress. Dazu kommen Probleme wie Fachkräftemangel und ein hoher Stand der Arbeitslosigkeit. Im Rahmen einer der größten Pilotstudien weltweit findet nun eine umfassende Studie in Deutschland statt. Intraprenör arbeitet dabei als Partner von 4 Day Week Global, dem Initiator einer internationalen Studie in Großbritannien, Irland, Australien und Südafrika.

In ersten Testläufen mit der 4-Tage-Arbeitswoche in anderen Ländern sind positive Ergebnisse zu erkennen. Lässt sich dieses Arbeitszeitmodell aber auch auf Deutschland übertragen und eignet es sich für Handwerksbetriebe und andere Branchen? Wie groß ist das Potenzial und welche Risiken spielen eine Rolle? Hier finden du die Antworten.

Vor- und Nachteile

Es gibt viele gute Gründe für die Einrichtung einer 4-Tage-Woche:

  • Mehr Freizeit – verlängertes Wochenende, Freiraum für Familie, Hobbys und Kurzreisen.
  • Steigerung der Motivation – durch die längere Erholungspause von der Arbeit verbessert sich das Arbeitsklima und dein Personal ist engagierter.
  • Verbesserte Produktivität – in einer kürzeren Arbeitswoche schaffen die Mitarbeiter oft mehr. Sie nutzen die Zeit intensiver und fokussieren sich auf ihre Aufgaben.
  • Weniger Ausfälle – weniger Arbeitstage senken den Stresspegel und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten.
  • Geringere Fahrtkosten – wer nur vier Tage in der Woche zur Arbeit fährt, für den reduzieren sich der Zeitaufwand und die Fahrtkosten.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen es sich am Anfang leicht vor, die tägliche Arbeitszeit zu erhöhen und dafür nur 4 Tage wöchentlich zu arbeiten. Gerade im Handwerk lässt sich dies aber nicht so einfach planen. Oft gibt es Termine, die eingehalten werden müssen. Dazu können Probleme wie Kinderbetreuung kommen. Typische Probleme und Nachteile der verkürzten Arbeitswoche:

  • Erschwerte Planung des Privatlebens – durch kurzfristig erforderliche Überstunden kann eine Betreuung der Kinder nötig sein, zudem bleibt an den Arbeitstagen mit mehr Stunden weniger Freizeit.
  • Planungsschwierigkeiten im Beruf – zu bestimmten Jahreszeiten ist mehr Personal nötig, um die Aufträge abzuarbeiten.
  • Nachlassende Konzentrationsfähigkeit – in Handwerksberufen wie Dachdeckerei ist äußerste Konzentration gefragt. Bei einer Tagesarbeitszeit von über 8 Stunden erhöht sich die Gefahr von Unfällen.
  • Lohnanpassung – viele Handwerksbetriebe können es sich nicht leisten, ihren Mitarbeitern den gleichen Lohn für weniger Arbeitsstunden zu bezahlen. Das bedeutet, dass die Angestellten bei der 4-Tage-Woche weniger Geld zur Verfügung haben.

Erfahrungen in Deutschland

Inzwischen gibt es mehrere Unternehmen in Deutschland, die erste Erfahrungen mit der verkürzten Arbeitswoche gemacht haben. Im Handwerk zeigt sich eine deutliche Stimmungsaufhellung im Team und mit der Motivation steigt auch die Produktivität. Allerdings erfordert die Flexibilität eine gewisse Bereitschaft zur Umstellung.

Je nach Betriebsgröße bieten einige Unternehmer ihren Mitarbeitern ein flexibles Arbeiten an. Wer bei den normalen Arbeitsstunden bleiben wollte, durfte 5 Tage in der Woche arbeiten. Oft folgten aber die zunächst zögerlichen Mitarbeiter den Kollegen und verkürzten ebenfalls auf 4 Tage – auch wenn sie dafür weniger Geld erhielten.

Für die Handwerksbranche bietet sich die kalte Jahreszeit als Testphase an, denn in den Monaten von Oktober bis März/April kommt es häufig zu witterungsbedingten Ausfällen. Einige Betriebe begannen jedoch im Frühjahr mit ihrem 4-Tages-Modell und machten damit gute Erfahrungen.

Bei der Planung des Arbeitszeit- und Gehaltsmodells ging es den fortschrittlichen Unternehmen darum, ihren Mitarbeitern einen gleichbleibenden Monatslohn zu zahlen, bei einer wechselnden Anzahl von Arbeitsstunden. Die Basis für die Berechnung ist dabei die Jahresarbeitszeit. Zu diesem Zweck ist eine genaue Abstimmung und Dokumentation nötig.

Erfahrungen aus anderen Ländern

Der neuseeländische Initiator 4 Day Week Global begleitet mehrere Studien in verschiedenen Ländern bei der Umsetzung der 4-Tage-Woche. Nach den Auswertungen der internationalen Feldversuche bewerten die Experten dieses Modell als erfolgreich.

Im Jahr 2015 gab es den größten Testlauf in Island: An dem vierjährigen Projekt nahmen über 1 % der Erwerbstätigen aus allen möglichen Branchen teil.

Eindeutige positive Folgen:

  • Keine verringerte Arbeitsleistung, stattdessen häufig eine Produktivitätssteigerung,
  • Verbesserte Work-Life-Balance,
  • Gutes Betriebsklima.

In Deutschland sind die Arbeitszeiten ebenso wie in Belgien und Frankreich sehr gering, gleichzeitig ist die Arbeitsproduktivität sehr hoch. Daran ist zu erkennen, dass das Konzept funktioniert. Allerdings gibt es besondere Aspekte, die zu beachten sind. Unter anderem gehört dazu der individuelle Einfluss auf die eigene Arbeitszeit. Die Mitarbeiter möchten bei der Planung mitgestalten und nicht fremdbestimmt sein – so macht ihnen die Arbeit mehr Freude und sie sind engagierter.

Wie gelingt die Einführung?

Bei der Realisierung der 4-Tage-Woche im Betrieb kann es zunächst Schwierigkeiten geben. Darum solltest du die Anfangsphase gut vorbereiten. Das Arbeitstempo lässt sich nicht einfach erhöhen. Verkürzte Pausen, ständige Überstunden und weniger Besprechungen wirken sich ebenfalls eher negativ auf die Arbeit aus. Überdenken bisherigen Abläufe und strukturiere sie neu. Denn nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die Arbeitszeitverkürzung funktionieren. Ohne eine umfassende Planung besteht hingegen die Gefahr, dass sich die Mitarbeiter überlastet fühlen und keine ordentliche Leistung mehr abliefern.

Überlege dir, wie sich verkürzte (und flexible) Arbeitszeiten umsetzen lassen, und sprich mit dem Team. Eventuell nehmen die Mitarbeiter wechselweise einen Tag frei – oder du schließt den Betrieb an einem Werktag komplett. Auch ein flexibler Arbeitsplan, bei dem einige Mitarbeiter Vollzeit arbeiten und andere nur 4 Tage, ist möglich.

Was muss man rechtlich beachten?

Wenn deine Mitarbeiter nur 4 Tage in der Woche arbeiten, solltest du die arbeitsrechtlichen Aspekte im Blick behalten. Halte die Vereinbarung schriftlich fest, um Missverständnisse zu vermeiden. Sprich mit deinem Team darüber, denn ohne die Zustimmung der Mitarbeiter darfst du laut Arbeitsrecht nicht einfach die Arbeitszeit ändern. Das ist nur im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung zulässig – sofern eine soziale Rechtfertigung vorliegt.

Viele Handwerksbetriebe sind tariflich gebunden. Passt das verkürzte Arbeitszeitmodell zu den Regelungen dieses Tarifs? Denk daran, dass die Tarifverträge auch für diejenigen Arbeitnehmer gelten können, die nicht in der Gewerkschaft sind.

In einem Unternehmen ohne Betriebsrat kannst du gemeinsam mit den Mitarbeitern eine individuelle Regelung absprechen. Achte darauf, alle gleich zu behandeln, ansonsten verstößt du gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Bei der Arbeitszeitregelung selbst ist das Arbeitszeitgesetz ausschlaggebend. Dieses soll die Gesundheit der Mitarbeiter schützen und legt dafür die maximale Arbeitsdauer, Pausen und Ruhezeiten fest.

Welche modernen Arbeitszeitmodelle gibt es noch?

Die 4-Tage-Woche gibt es in mehreren Modellen:

  • Vier Tage Arbeit bei gleicher Wochenarbeitszeit (täglich 25 % länger arbeiten, beispielsweise viermal 10 Stunden statt fünfmal 8 Stunden).
  • Vier Tage Arbeit mit weniger Wochenstunden und weniger Lohn (bei acht Stunden täglich reduziert sich der Lohn entsprechend, da es nicht mehr 40 Stunden, sondern nur noch 32 Stunden wöchentlich sind).
  • Vier Tage Arbeit mit weniger Wochenarbeitszeit und gleichem Lohn

Weitere mögliche Arbeitszeitmodelle für Handwerksbetriebe und andere Branchen sind:

  • Schichtplangestaltung
  • Gleitzeit (mit bedarfsgerechter Planung),
  • Flexibilisierung der Arbeitszeiten mit Einsatzplanung.
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