Steigen Materialkosten kann die Preisgleitklausel angewandt werden.

Preisgleitklausel im Handwerk und Baugewerbe

Bild: Friends Stock / stock.adobe.com

Nicht erst seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine haben sich zahlreiche Baumaterialen verknappt. So sind neben vielen Holzarten auch Stahl, Aluminium, Kunst- und Dämmstoffe sowie Fliesen derzeit Mangelware. Diese Verknappung hat in den vergangenen Monaten zu teils drastischen Preissteigerungen geführt. Für Handwerker und Baufirmen eine Situation großer Unsicherheit. Nicht nur die Beschaffung vieler Materialien ist aufwendiger geworden, auch die Kalkulation realistischer und gewinnbringender Angebote hat sich in jüngster Vergangenheit deutlich erschwert. Ein Fehler bei der Kalkulation kann schnell dazu führen, dass der Auftragnehmer am Ende auf gestiegenen Kosten sitzenbleibt.

Wer Preissteigerungen an seine Kunden weitergeben will, muss deshalb eine Preisgleitklausel in seine Verträge einbauen. Der nachfolgende Beitrag erklärt, worauf es dabei in der Praxis ankommt und welche Fallstricke lauern.

Was müssen Handwerker bei der Nutzung der Preisgleitklausel beachten?

Bei der Gestaltung einer Preisgleitklausel sollten Handwerker und Baufirmen mehrere Punkte beachten, um die Klausel möglichst rechtssicher zu formulieren.

  1. Das von einer Preisgleitung betroffene Material sollte in der Klausel konkret benannt werden, um keinen Interpretationsspielraum offen zu lassen.
  2. Die Preissteigerung sollte möglichst nachvollziehbar sein. Dies lässt sich beispielsweise durch die Offenlegung von Einkaufspreisen für Materialien umsetzen.
  3. Die Preisgleitklausel muss expliziter Vertragsinhalt zwischen dem Handwerker beziehungsweise der Baufirma und dem Kunden sein. Die Klausel sollte deshalb entweder direkt in den Vertragstext aufgenommen werden oder alternativ Bestandteil einer Zusatzvereinbarung sein, die der Kunde ebenfalls zu unterschreiben hat. Eine Preisgleitklausel einfach als Beiblatt zu einem Vertrag hinzuzufügen, ist rechtlich nicht ausreichend.

Was können Handwerker bei laufenden Verträgen tun?

Hat ein Handwerker oder eine Baufirma vertraglich einen Festpreis vereinbart, so ist er während der Durchführung eines Auftrages an diesen Preis gebunden. Erhöhungen von Material-, Produkt- und Leistungspreisen fallen in diesem Fall in den Risikobereich des Auftragnehmers. Der Handwerker beziehungsweise die Baufirma kann eine etwaige Preiserhöhung bei Materialien nicht einfach an den Kunden weiterreichen.

Einen Sonderfall bei Preissteigerungen in laufenden Verträgen stellt jedoch der sogenannte „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ dar. Sofern Preisänderungen sehr gravierend sind und völlig unvorhersehbar eintreten, kann im Einzelfall nachträglich ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eintreten. Ob tatsächlich aufgrund einer Preisänderung die Geschäftsgrundlage zwischen zwei Vertragsparteien entfallen ist, muss im Regelfall einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Eine Erhöhung von Lieferantenpreisen um 20 Prozent wird von Gerichten in der Regel als „normal“ angesehen.

Eine weitere Ausnahme gilt möglicherweise, wenn der Vertrag den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen VOB/B folgt. In diesem Fall können Auftragnehmer unter gewissen Umständen von einem Sonderkündigungsrecht gemäß §6 Abs. 7 VOB/B Gebrauch machen. Dieses Sonderkündigungsrecht gilt allerdings nur, wenn die Ausführung der Leistungen um mindestens drei Monate unterbrochen beziehungsweise verzögert wird. Ob die Arbeiten bereits begonnen wurden, ist dabei unerheblich. Bei reinen BGB-Verträgen gilt dieses Sonderkündigungsrecht übrigens nur eingeschränkt.

Welche Unterschiede gibt es bei Privatpersonen und öffentlichen Aufträgen?

Im Gegensatz zu Verträgen mit Unternehmen, in denen Preisgleitklauseln grundsätzlich unproblematisch und gerichtsfest vereinbart werden können, haben derartige Klauseln einen Haken, wenn der Kunde eine Privatperson ist. Dann gilt eine Preisgleitklausel als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dies hat zur Folge, dass sie im Streitfall einer sehr strengen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Entscheidend ist vor Gericht besonders die Frage, wie transparent die Klausel formuliert ist. Der Auftragnehmer muss in seinem Angebot deshalb klipp und klar definieren, unter welchen Bedingungen die Preisgleitklausel greift. Zudem sollte für den Kunden ersichtlich sein, wie sich der Preis zusammensetzt. Die Offenlegung der Berechnungsgrundlage ist demnach ratsam.

Auch mit öffentlichen Auftraggebern war bis vor kurzem die Vereinbarung von Preisgleitklauseln für Handwerker und Baufirmen nahezu unmöglich. Im März 2022 haben das Bundesbau- und das Bundesverkehrsministerium jedoch mit Erlassen auf die massiv gestiegenen Preise bei vielen Baumaterialien reagiert. Die nachfolgenden Regelungen wurden vom Bund vorerst bis zum Jahresende befristet.

Grundsätzlich können gemäß der Bundeserlasse für alle relevanten Produktgruppen Stoffpreisgleitklauseln in öffentliche Verträge aufgenommen werden. Derartige Klauseln können vereinbart werden, wenn der Anteil des betroffenen Materials bei über 0,5 Prozent der Auftragssumme liegt. Als zusätzliche administrative Erleichterung für Handwerker und Baufirmen wurde per Bundeserlass geregelt, dass im Falle eines unverhältnismäßig großen Aufwands bei der Zuordnung der einzelnen Materialanteile auf das Material mit dem höchsten Anteil abgestellt werden kann. Auch für kurzlaufende öffentliche Aufträge können Preisgleitklauseln vereinbart werden. Die Bundeserlasse erlauben bereits eine Vereinbarung, wenn zwischen Auftragserteilung und -ausführung mehr als ein Monat liegt. Bei länger laufenden Verträgen gelten die Preisgleitklauseln bis zum jeweiligen Vertragsende – auch dann, wenn die Laufzeit des Vertrages über das Jahresende 2022 hinausgeht.

Für zusätzliche Sicherheit von Handwerkern und Baufirmen sorgt die Tatsache, dass einige größere Bundesländer, wie zum Beispiel Niedersachsen und Nordrein-Westfalen, entschieden haben, die Regelungen der Bundeserlasse auch auf Länderebene umzusetzen.

Beispielformulierung einer Preisgleitklausel

Bei der Formulierung einer Preisgleitklausel haben Handwerker und Baufirmen viel Gestaltungsspielraum. Eine Beispielformulierung könnte wie folgt lauten:

Die für die Durchführung Ihres Auftrages benötigten Materialen sind derzeit sehr knapp am Markt und unterliegen hohen Preisschwankungen, die bis zu xx Prozent pro Woche betragen können. Vor diesem Hintergrund müssen wir mit Ihnen eine Vereinbarung zur Preisanpassung bei Materialpreisänderungen treffen. Wir weisen darauf hin, dass das Zustandekommen dieses Vertrages unter der Bedingung der expliziten Annahme der beigefügten Vereinbarung steht.

Welche Arten von Klauseln gibt es?

Grundsätzlich werden bei Preisgleitklauseln zwei verschiedene Arten unterschieden: Index- und prozentuale Preisgleitklauseln.

Bei einer Index-Preisgleitklausel richtet sich der vom Auftraggeber zu bezahlende Preis nach einem bestimmten Materialpreisindex. Für eine rechtssichere Gestaltung einer Preisgleitklausel müssen sich die Vertragsparteien darauf einigen, für welche Materialien welcher Index konkret gelten soll.

Im Unterschied dazu vereinbaren Auftraggeber und Auftragnehmer bei einer prozentualen Preisgleitklausel, dass der Kunde die Preissteigerung für ein bestimmtes Material trägt, wenn der Preis einen vereinbarten Prozentsatz übersteigt. Alternativ können die Vertragsparteien auch einen Verteilungsschlüssel festlegen, wie etwaige Preissteigerungen gemeinsam getragen werden.

Wie können sich Handwerker noch gegen Preissteigerungen absichern?

In der Praxis führen Preisgleitklauseln nicht selten zu erheblichen Diskussionen und Verstimmungen zwischen Handwerkern beziehungsweise Baufirmen und ihren Kunden. Vor allem Ein-Mann-Betriebe und Kleinunternehmen schrecken deshalb häufig davor zurück, Preisgleitklauseln mit ihren Auftraggebern zu vereinbaren.

Neben der Vereinbarung von Preisgleitklauseln stehen Handwerkern und Baufirmen jedoch noch weitere Instrumente zur Verfügung, um am Ende des Tages nicht auf gestiegenen Materialpreisen sitzenzubleiben. Eine einfache und beliebte Form, sich mehr vertraglichen Handlungsspielraum zu verschaffen, ist die Abgabe eines „freibleibenden“ und somit unverbindlichen Angebots. Durch den Zusatz „freibleibend“ sichern sich Handwerks- und Baubetriebe zusätzlichen Planungsspielraum, indem sie den eigentlichen Vertragsschluss nach hinten verschieben. Kommt es zu einer unerwarteten Preissteigerung bei der Materialbeschaffung, durch die der vertraglich vereinbarte Preis nicht mehr wirtschaftlich darstellbar ist, kann der Auftragnehmer einfach die Auftragsbestätigung unterlassen und der Vertrag kommt nicht zustande.

Eine weitere Möglichkeit von Handwerkern und Baufirmen, sich gegen steigende Materialpreise zu schützen, ist die Befristung von Angeboten und die gleichzeitige vertragliche Zusicherung von Materialpreisen durch ihre Lieferanten. Im Idealfall ist die Bindungsfrist im Angebot gegenüber dem Kunden tagesgleich mit der Frist für die Preiszusicherung durch den Lieferanten. So schließen Handwerker und Baufirmen in der Praxis aus, dass sie Preissteigerungen nicht an ihre Kunden weitergeben können.

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