Letzte Aktualisierung am 8. Juli 2024 von Mika Lehmann
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Wer alkoholisiert oder anderweitig berauscht ist, büßt einen Teil seiner Konzentrations- und Leistungsfähigkeit ein. Der durch Alkohol oder andere Rauschmittel bedingte Leistungsabfall kann gerade bei der Arbeit schnell das Unfallrisiko erhöhen. Vor allem bei körperlichen Tätigkeiten oder dem Bedienen schwerer Maschinen kann das besonders gefährlich werden. Doch welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Alkohol oder einem anderen Rauschmittel bei der Arbeit?
Drogenkonsum in Deutschland
Deutschland gilt im europäischen Vergleich als Hochkonsumland, was Alkohol betrifft. Der Pro-Kopf-Konsum pro Jahr lag laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) im Jahr 2020 bei den Bundesbürgern ab 15 Jahren durchschnittlich bei 124 Liter Alkoholika oder 10 Liter reinen Alkohols.
Der Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols ist damit in den vergangenen Jahren zwar gesunken, trotzdem sterben laut Bundesregierung hierzulande jährlich immer noch rund 62.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum. Etwa 1,6 Millionen Menschen sind alkoholabhängig, wobei die Dunkelziffer noch höher liegen dürfte. Im Jahr 2016 gingen rund 13.400 Unfälle im Straßenverkehr auf Alkohol zurück.
Bezüglich anderer Rauschmittel wie Cannabis lassen sich aufgrund der hohen Dunkelziffer weniger präzise Angaben machen. Laut Suchtbericht 2023 gibt es fast 4,5 Millionen Erwachsene, die regelmäßig Cannabis konsumieren. Ungefähr 300.000 sind davon abhängig. Todesfälle sind keine bekannt, aber manche psychische Erkrankungen können durch den Konsum verstärkt oder ausgelöst werden.
Ungefähr 4,4 Millionen Menschen sind tabakabhängig und 1,8 Millionen Menschen abhängig von Medikamenten. An den Folgen von Tabakkonsum sterben jährlich 127.000 Menschen und er verursacht volkswirtschaftliche Schäden von fast 100 Milliarden Euro. Bei den Medikamenten sind vor allem opioidhaltige Schmerzmittel ein Problem.
Mehr Infos findet man auf der Website des Bundesdrogenbeauftragten: https://datenportal.bundesdrogenbeauftragter.de
Verbot am Arbeitsplatz?
Generell gesetzlich verboten sind Alkohol und Cannabis nur in wenigen Branchen, zum Beispiel für Taxifahrer, Piloten oder im Sicherheitsbereich. Außerdem gibt es für Cannabiskonsum klare Vorschriften zum Jugendschutz und dem Abstand zu Kindergärten oder Schulen.
Abgesehen davon hängt die Entscheidung vom jeweiligen Unternehmen ab und kann zum Beispiel in internen Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen festgeschrieben werden. Auch wenn der Kasten Bier früher gerne auf Baustellen zu sehen war, ist gerade im Handwerk und Baugewerbe das Verletzungsrisiko ziemlich hoch und sollte nicht zusätzlich erhöht werden. Auf Baustellen sollte daher höchstens alkoholfreies Bier konsumiert werden. Auch der Konsum von Alkohol oder Cannabis kurz vor der Arbeit kann das Unfallrisiko erhöhen und die Arbeitsleistung mindern.
Gilt der gesetzliche Unfallversicherungsschutz noch?
Während es in der Freizeit mitunter als Normalfall gilt Alkohol zu bestimmten Anlässen zu konsumieren, kann das auf der Arbeit schnell Konsequenzen haben. Berauschte Mitarbeiter oder Selbstständige sind weniger konzentriert und leistungsfähig, die Gefahr einen Arbeitsunfall zu erleiden oder zu verursachen steigt – laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gehen rund 20 Prozent aller Arbeitsunfälle auf Alkoholeinfluss zurück. Doch während bei einem regulären Arbeitsunfall die gesetzliche Unfallversicherung greift, kann diese für berauschte Mitarbeiter entfallen.
Bei einem Arbeitsunfall müssen die Tätigkeit und der Unfall in direkter Verbindung zueinander stehen. Ist der Mitarbeiter allerdings so berauscht, dass er nicht mehr in der Lage ist, die nötigen Arbeitsschritte der versicherten Tätigkeit ordnungsgemäß durchzuführen, kann auch der gesetzliche Unfallschutz entfallen. Entscheidend dafür ist der Grad des Rauschzustandes, hier unterscheidet man zwischen einem Leistungsabfall und einem Leistungsausfall. Letzterer liegt beispielsweise bei Volltrunkenheit vor.
Leistungsabfall: Ein Leistungsabfall, beispielsweise bedingt durch eine leichte Alkoholisierung, muss nicht zwangsläufig zum Erlöschen des Unfallschutzes führen. Ist der Mitarbeiter zwar in seiner Leistungsfähigkeit leicht gemindert, aber dennoch in der Lage, die mit der versicherten Tätigkeit in Verbindung stehenden Arbeitsschritte ordnungsgemäß zu verrichten, bleibt der Versicherungsschutz bestehen. Entscheidend ist in einem solchen Fall, dass zwischen Arbeitsschritten und Unfallhergang ein Zusammenhang besteht. Im Fall eines Leistungsabfalls erlischt die gesetzliche Unfallversicherung nur, wenn sich der Unfall direkt auf den Rauschzustand zurückführen lässt.
Leistungsausfall: Bei einem Leistungsausfall, beispielsweise bedingt durch Volltrunkenheit, entfällt der gesetzliche Unfallschutz auf jeden Fall – Selbst dann, wenn der volltrunkene Mitarbeiter den Unfall, durch den er zu Schaden kam, nicht selbst verschuldet hat.
Um Unfälle zu vermeiden, empfiehlt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung den Unternehmen, den Konsum von Alkohol und Cannabis während der Arbeit und davor komplett zu verbieten. Selbstverschuldete Unfälle – egal ob im berauschten Zustand oder nicht – können auch zu einem Verlust des Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente führen.
Wie sollten Arbeitgeber mit berauschten Mitarbeitern umgehen?
Sollten Arbeitgeber oder Vorgesetzte den Rauschzustand eines Mitarbeiters bemerken, besteht sofortiger Handlungsbedarf. In einem solchen Fall kann nach eigenem Ermessen entschieden werden, ob der Mitarbeiter die Arbeit unterbrechen oder den Arbeitsplatz verlassen soll. Die ausfallenden Arbeitsstunden müssen bei einer entsprechenden innerbetrieblichen Vorschrift auch nicht bezahlt werden. Führungskräfte sollten geschult werden, um Leistungsausfälle durch Drogenkonsum zu erkennen. Alle Mitarbeiter sollten über die Regeln informiert werden.
Etwaige Schritte sollten Arbeitgeber oder Vorgesetzte dann einleiten, wenn sie feststellen, dass Mitarbeiter ihrer Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß nachgehen können und damit eine Gefährdung für sich selbst und andere darstellen (§ 7 Abs. 2 DGUV). Wenn beispielsweise Volltrunkenheit und ein damit verbundener Leistungsabfall festgestellt werden, sollte das nicht ignoriert werden – Der Mitarbeiter muss sofort von der Arbeit freigestellt werden. Aufgrund der Fürsorgepflicht sollte außerdem gewährleistet werden, dass der Mitarbeiter sicher nach Hause kommt, beaufsichtigt oder gegebenenfalls sogar medizinisch versorgt wird. Nimmt ein Mitarbeiter berauscht am Straßenverkehr teil, kann das auch zu einer außerordentlichen Kündigung führen.
Ignoriert oder nimmt ein Arbeitgeber oder Vorgesetzter den Rauschzustand des Mitarbeiters hin, kann das auch Konsequenzen für ihn haben. Im Falle eines Arbeitsunfalls, bei dem Vorgesetzte oder Arbeitgeber von der Alkoholisierung wussten und diese duldeten, können die durch den Unfall verursachten Kosten auf diese zurückfallen. Zusätzlich können sogar straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen folgen.
In seltenen Fällen können Arbeitgeber auch eine Ausnahme machen: Wenn ein Arbeitnehmer nachgewiesen medizinisches Cannabis verschrieben bekommt und zum Beispiel die schmerzlindernde Wirkung die Arbeitsleistung verbessert. Das sollte man jedoch nach Einzelfall entscheiden und nur wenn der Arbeitsort entsprechend risikoarm ist, zum Beispiel bei 100 Prozent Büroarbeit oder Arbeit von Zuhause. Arbeitgeber sollten dann aber darauf achten, dass der Mitarbeiter kein Auto für den Arbeitsweg fährt.
Kündigung von drogensüchtigen Mitarbeitern
Führt ein regelmäßiger Rauschzustand von Mitarbeitern zu wirtschaftlichen Schäden und beeinträchtigt einschneidend das Betriebsklima, kann das das gesamte Unternehmen auf eine Belastungsprobe stellen. Vor einer Kündigung oder Abmahnung kann es zunächst helfen, das Gespräch zu suchen. Gegebenenfalls sollten Therapiemöglichkeiten aufgezeigt werden, um das Problem langfristig zu lösen.
Eine Kündigung kann sich mitunter schwierig gestalten, da es sich bei Alkoholismus beispielsweise um eine Sucht handelt, die rechtlich wie eine Krankheit behandelt wird. Bei einer Kündigung aufgrund von Alkoholsucht kommt es dementsprechend zu einer krankheitsbedingten Kündigung. Unter den Kündigungsgründen fällt diese nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als Unterfall unter die personenbedingte Kündigung. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist allerdings nur dann möglich, wenn ein Mitarbeiter die Vereinbarungen des Arbeitsvertrages aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr erfüllen kann. Das ist dann der Fall, wenn:
- eine negative Gesundheitsprognose vorliegt,
- betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden,
- Interessenabwägung zwischen Beendigungs- und Fortsetzungsinteresse.
Weigert sich der Mitarbeiter eine Therapie zu machen, kann das ein deutliches Zeichen für ein anhaltendes Krankheitsbild und eine negative Gesundheitsprognose sein, was den Kündigungsprozess zugunsten des Arbeitgebers unterstützt. Da die Beweispflicht bei einer Kündigung beim Arbeitgeber liegt, kann es mitunter schwierig sein, den problematischen Konsum während der Arbeitszeit nachzuweisen. Hier sind Zeugenaussagen entscheidend.
Alkohol und Cannabis bei Betriebsfeiern
Bei freiwilligen Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeit können die Anwesenden auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens Alkohol und Cannabis konsumieren. Das geht jedoch nicht, wenn die Veranstaltung auf dem Betriebsgelände stattfindet und es dort untersagt ist. Im Fall von Cannabis müsste jede Person ihr eigenes Cannabis mitbringen und sich an Rauchverbote, Jugendschutz und die örtlichen Vorschriften halten. Durch Rausch begünstigtes grobes Fehlverhalten wie sexuelle Belästigung kann natürlich auch hier zu Abmahnungen und Kündigungen führen. Arbeitgeber sollten auch immer darauf achten, dass niemand zum Konsum von Alkohol oder Cannabis gedrängt wird oder die eigene Toleranz überschätzt.
Die gesetzliche Unfallversicherung versichert auch Unfälle auf betrieblich veranlassten Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeit. Hier kann es aber auch zu Kürzungen kommen oder der Versicherungsschutz entfallen, wenn der verletzte Mitarbeiter zu berauscht war und dadurch den Unfall begünstigt hat. Der Versicherungsschutz endet, wenn die Veranstaltung offiziell als beendet erklärt wird oder die deutliche Mehrzahl der Teilnehmer die Veranstaltung verlassen hat. Bleiben die Teilnehmer danach noch in einer Gruppe zusammen, entfällt der Versicherungsschutz.