Letzte Aktualisierung am 8. Juli 2024 von
Die Verkehrssicherungspflicht schreibt in vielen Alltagsbereichen vor, dass Gefahrenquellen beseitigt werden müssen. Tut man dies nicht, haben die geschädigten Personen Anspruch auf Schadensersatz. Die Räum- und Streupflicht ist beispielsweise im Winter wichtig, aber es gibt viele weitere Gefahren, auf die man achten sollte.
Definition
Eine eigene Definition der Verkehrssicherungspflicht gibt es nicht. Sie entsteht jedoch durch die Schadenersatzpflicht aus § 823 BGB: „(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
In allen Fällen gilt, dass man nicht jedes noch so seltene Risiko einplanen muss. Man sollte jedoch alle zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, die im Alltag wahrscheinlich vor Unfällen schützen. Das sind besonders Dinge, die für Dritte unerwartet sein können, aber der verantwortlichen Person auffallen müssen. Da es keine klare rechtliche Definition gibt, ist die heutige Rechtsprechung vor allem durch zahlreiche Urteile entstanden.
Grundeigentümer und Vermieter
Auch als Grundeigentümer muss man dafür sorgen, dass alle Personen das Grundstück betreten können, ohne irgendwelchen Gefahren ausgesetzt zu sein. Das betrifft nicht nur Mieter, sondern generell alle Personen, die das Grundstück befugt betreten – zum Beispiel Postboten oder Besucher der Bewohner.
Vermieter können einen Teil der Verkehrssicherungspflicht – die Wegereinigungs- und Streupflicht – im Mietvertrag auf die Mieter übertragen (§ 2 Nr. 8 Betriebskostenverordnung). Sie müssen aber trotzdem auch die Umsetzung prüfen, denn nur dann sind sie rechtlich abgesichert. Alternativ ist es auch möglich einen professionellen Winterdienst oder Hausmeister zu beauftragen und die Kosten über die Betriebskosten an die Mieter weiterzugeben. So kann man sich sicher sein, dass die Arbeiten zuverlässig ausgeführt werden. Man sollte sich jedoch auch dann nicht komplett blind darauf verlassen, sondern ab und zu nachprüfen (§ 278 BGB).
In bewohnten Räumen lastet weniger Verantwortung auf dem Vermieter. Hier sind die Bewohner dazu verpflichtet, dem Vermieter Mängel unverzüglich mitzuteilen. Vermieter sollten jedoch dafür sorgen, dass auch dort wichtige Geräte wie Rauchmelder regelmäßig gewartet werden.
Beispiele für häufige Verkehrssicherungsmaßnahmen
- Unverzügliche Mängelbehebung, um Gefahren zu verhindern
- Beleuchtung muss funktionieren, um Unfälle zu verhindern (besonders im Treppenhaus wichtig)
- Schadhafte Böden und Treppen austauschen
- Regelmäßige Wartung des Dachs, um herabfallenden Dachziegeln vorzubeugen
- Laub entfernen im Herbst
- Im Winter: Schnee räumen und streuen. Am Dach vor Dachlawinen schützen, zum Beispiel durch Schneefangsysteme.
- Bäume regelmäßig kontrollieren und bei Bedarf fällen lassen, bevor es zu einem Sturz kommt.
- Wenn vorhanden: Klettergerüste, Rutschen oder ähnliche Anlagen im Garten regelmäßig überprüfen.
Es handelt sich bei dieser Liste nur um häufige Beispiele, aber wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Unterschiedliche Gebäude sorgen auch für unterschiedliche Sicherheitsrisiken und man muss immer selbst abschätzen, welche Maßnahmen beim jeweiligen Gebäude nötig sind.
In Unternehmen
Welche Gefahren man beachten muss und welche zu abstrakt sind, ist leider nicht klar definiert, aber man kann sich folgende Frage stellen: Welche Maßnahmen würde ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Geschäftsführer in einer vergleichbaren Situation für ausreichend und zumutbar halten, damit Dritte nicht zu Schaden kommen?
Als Geschäftsführer muss man dafür sorgen, dass alle Personen sicher sind, die in irgendeiner Weise auf dem Firmengelände agieren. Das können zum Beispiel Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner, Besucher oder nur Passanten auf den Gehwegen vor der Betriebsstätte sein. Letzteres ist zumindest dann der Fall, wenn die Kommune die Räumpflicht in ihrer Satzung auf die Anlieger überträgt.
Was muss man konkret tun?
- Regelmäßig die Betriebsflächen begehen, nach Gefahrenquellen suchen und diese beseitigen oder sichern.
- Zugang zu Gefahrenquellen verhindern durch Zäune und leicht verständliche Warnschilder aufstellen.
- Werden die Sicherungsaufgaben an Mitarbeiter oder externe Unternehmen abgegeben (zum Beispiel Winterdienst), muss man die Umsetzung kontrollieren und die Mitarbeiter sorgfältig auswählen.
- Kommt es doch mal zu einem Unfall, sollte man die Situation direkt prüfen: Gibt es ein grundsätzliches Unfallrisiko in dem Bereich? Was kann man ändern, um ähnliche Unfälle in Zukunft zu verhindern? Gab es klare Zuständigkeiten für die Sicherung?
- Gut ausgebildete Mitarbeiter einstellen und regelmäßig zu Sicherheitsvorkehrungen schulen. Persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen und Nutzung kontrollieren.
Beispiele für häufige Maßnahmen
- Aufkleber, der vor einer kaum sichtbaren Glastür warnt
- „Vorsicht Rutschgefahr“-Schild nach dem Wischen
- Halterungsgurt im Transporter nutzen
- Kaputten Boden oder Treppenstufen reparieren, damit niemand stolpert
- Mülltonnen und andere Gegenstände sichern, um Sturmschäden zu vermeiden.
Da Berufe und Arbeitsumgebungen sehr unterschiedlich sein können, sollte man sich im Zweifel bei der Berufsgenossenschaft informieren oder von einem Anwalt beraten lassen. Berufsgenossenschaften wissen ganz genau, wodurch die meisten Unfälle in verschiedenen Branchen entstehen und wie man vor ihnen schützt.
Wer haftet im Unternehmen?
Sind Kunden, Gäste, Mandanten, Besucher oder andere außenstehende Personen betroffen, haftet die GmbH (Außenverhältnis). Wenn er seine Organisations- und Kontrollpflichten verletzt, haftet der Geschäftsführer jedoch mit seinem Privatvermögen gegenüber der GmbH und kann auch abberufen werden (Innenverhältnis).
Es kann auch passieren, dass der Geschäftsführer gegenüber Außenstehenden haftet. Dafür muss er die Pflichten jedoch in besonders grober Weise verletzen oder nicht handeln, obwohl er wiederholt darauf hingewiesen wurde. Darüber hinaus haftet der Geschäftsführer auch, wenn es sich um Straftaten handelt.
Besonderheiten auf Baustellen
Gerade auf Baustellen ist die Verkehrssicherungspflicht enorm wichtig. Die Bauleitung muss hier sicherstellen, dass die Baustelle keine Gefahren für die Leute enthält, die dazu befugt sind, sie zu betreten. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass unbefugte Personen die Baustelle nicht betreten können. Schilder mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“ helfen dabei nicht.
Zusätzlich zur allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ist hier auch die StVO relevant. Beispielsweise muss man sich vor dem Bau bei der Straßenverkehrsbehörde informieren, wie die Baustelle abgesperrt und gekennzeichnet werden muss. Eventuell muss auch der Verkehr umgeleitet werden.
Die Verkehrssicherungspflicht liegt bei Baustellen beim Bauleiter nach der Landesbauordnung, zum Beispiel einem Architekten. Um die Haftung bei Problemen auszuschließen, sollten Auftraggeber die Arbeiten trotzdem nicht komplett unbeaufsichtigt lassen.
So unterschiedlich wie Baustellen sein können sind auch die Sicherheitsmaßnahmen, die man treffen sollte. Um den Überblick zu behalten lohnt sich ein Blick ins Medien-Center der BG BAU. Dort findet man nicht nur die Vorschriften und Regeln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), sondern auch einzelne Merkblätter zu verschiedenen Situationen. Auch die Bausteine-App hilft dabei, den Überblick zu behalten und andere Mitarbeiter zu informieren.
Was passiert, wenn die Pflicht nicht eingehalten wird?
Egal um welche Situation es geht: Die Missachtung der Verkehrssicherungspflicht wird immer zu Problemen führen. Im „besten“ Fall handelt es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit und man muss ein Bußgeld zahlen. Im schlimmsten Fall begeht man eine Straftat und jemand verletzt sich oder wird sogar getötet. Wenn man sich nicht um die Verkehrssicherung kümmert kommt es schnell zu teuren Kombinationen aus Bußgeldern, Schadensersatz, Schmerzensgeld oder sogar einer Haftstrafe.
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