Soloselbstständigkeit im Handwerk: Infos und Checkliste

Letzte Aktualisierung am 8. Juli 2024 von

Soloselbstständigkeit und Einzelunternehmen sind im Handwerk nichts Ungewöhnliches und in vielen Berufen sehr praktisch. Problematisch kann es aber werden, wenn Einzelunternehmen den größeren Betrieben durch unfaire Wettbewerbsbedingungen Probleme bereiten, dadurch weniger ausgebildet wird und Fachwissen verloren geht.

ZDH und DGB sehen Soloselbstständigkeit kritisch

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) haben am 20.02.2020 eine gemeinsame Erklärung zur Situation von Soloselbstständigen im Handwerk veröffentlicht. Darin kritisieren sie, dass Soloselbstständige einem fairen Leistungswettbewerb durch gezielte Unterbietungsstrategien schaden. Besonders problematisch seien wettbewerbsverzerrende Subunternehmerstrukturen oder Missbrauch des Reisegewerbes. Soloselbstständigkeit an sich sehen die beiden Verbände nicht als Problem, kritisieren aber, dass die derzeitigen Bedingungen und Unterbietungsstrategien Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Auszubildenden stark benachteiligen. So verstärkt sich der Fachkräftemängel im Handwerk und die Wartezeiten für Auftraggeber werden länger.

Forderungen von ZDH und DGB zur Soloselbstständigkeit

  • Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen
  • Ausweitung der gesetzlichen Unfallversicherung auf alle Selbstständigen
  • Verpflichtende Krankenversicherung
  • Stärkere Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit
  • Einbezug von Soloselbstständigen in Sozialkassentarifverträge
  • Keine Ausweitung der Umsatzsteuergrenze für Kleinunternehmer

Die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige steht übrigens auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Nach dem Koalitionsvertrag sollen alle Selbstständigen in Zukunft automatisch in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden, können aber auch wieder austreten, wenn sie lieber privat vorsorgen möchten.

Tatsächliche Lage der Soloselbstständigen im Handwerk

Was ist dran an der Kritik von ZDH und DGB? Um das zu prüfen lohnt sich ein Blick auf verschiedene Studien der letzten Jahre.

Daten über alle Soloselbstständigen

2016 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Studie zum Thema Soloselbstständigkeit in Auftrag gegeben. Folgende Eigenschaften lassen sich über alle Branchen hinweg beobachten:

  • 2014 gab es 2,3 Millionen Soloselbstständige in Deutschland
  • 52 Prozent aller Soloselbstständigen hatten keine Altersvorsorge, weder durch freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung, noch durch private Altersvorsorge
  • Über alle Branchen hinweg liegt das Median-Nettoeinkommen bei 1050 Euro pro Monat. Bei abhängig Beschäftigten liegt es hingegen bei 1500 Euro und bei Selbstständigen mit Beschäftigten bei 2450 Euro.

Daten über Soloselbstständige im Handwerk

Das durchschnittliche Nettoeinkommen der Soloselbstständigen im Handwerk liegt mit 1.681 € etwas niedriger als das von Angestellten (1.728 €) und Selbstständigen mit Beschäftigten (2.678 €). Bei 20 Prozent der Soloselbstständigen im Handwerk liegt das Nettoeinkommen sogar unter der Armutsgefährdungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt. Das liegt vor allem daran, dass 19 Prozent von ihnen nur in Teilzeit arbeiten.

Das Gesamt-Netto-Haushaltseinkommen liegt bei ihnen bei 2938 Euro. Auch hier liegen Selbstständige mit Beschäftigten mit 3965 wieder ungefähr 1000 Euro über dem Einkommen von Soloselbstständigen.

  • 12,1 Prozent haben ein hohes Einkommen (32,5 % bei Selbstständigen mit Beschäftigten)
  • Durchschnittliches Alter der Soloselbstständigen im Handwerk: 47 Jahre (49 bei Selbstständigen mit Beschäftigten)
  • 86 Prozent der Soloselbstständigen haben deutsche Staatsangehörigkeit (11 Prozent EU)
  • Soloselbstständige haben öfter (Fach-)Abitur (21 %) oder einen Hochschulabschluss (8 %) als Selbstständige Handwerker mit Beschäftigten
  • 81,4 Prozent arbeiten in Vollzeit, bei Selbstständigen mit Beschäftigten sind es 97 Prozent

Mehr Infos zur Soloselbstständigkeit allgemein:
Kurzexpertise für das BMAS

Mehr Infos zur Soloselbstständigkeit im Handwerk:
Haverkamp, K. (2019). Soloselbstständigkeit im Handwerk: Ergebnisse des Mikrozensus 2014. Göttinger Beiträge zur Handwerksforschung (Heft 29). Göttingen.

Checkliste für Soloselbstständige im Handwerk

Soloselbstständigkeit ist gerade im Handwerk nichts ungewöhnliches und sollte nicht pauschal abgewertet werden. Viele Handwerker starten zwar als Ein-Mann-Betriebe, aber entwickeln sich im Laufe der Jahre zu großen Betrieben mit vielen Angestellten und Auszubildenden. Trotzdem sollte man auf ein paar Dinge achten, um auch langfristig Erfolg zu haben.

Verkaufen Sie sich nicht unter wert!

Gerade kurz nach der Gründung hat man noch nicht so ein starkes Gefühl für das Preisgefüge in der Region und auch die Stammkunden fehlen. Es kann also leicht vorkommen, dass man zu wenig für eigentlich anspruchsvolle Arbeiten weniger verlangt, als eigentlich angemessen wäre. Für die Gewinnung erster Kunden ist das kein Problem, aber es sollte nicht zum Dauerzustand werden. Seien Sie mutig und fordern sie einen angemessenen Preis für Ihre Arbeit.

Scheinselbstständigkeit ausschließen

Regelmäßige Geschäftspartner und Auftraggeber zu haben, ist völlig normal. Problematisch wird es nur, wenn Sie hauptsächlich von einem Unternehmen abhängig sind und dort wie ein Angestellter arbeiten, ohne dort angestellt zu sein. So eine Scheinselbstständigkeit nimmt Ihnen die unternehmerische Freiheit und schiebt Ihnen trotzdem die Verantwortung für Sozialabgaben, Vorsorge und Versicherungen zu.

Keine Angst vor Ausbildung und Einstellung neuer Mitarbeiter

Schaut man auf die Einkommensdaten des Mikrozensus 2014 fällt eine Sache sofort auf: Das durchschnittliche Nettoeinkommen der Soloselbstständigen liegt sogar niedriger als das der abhängig Beschäftigten und ganze 1000 Euro niedriger als das von selbstständigen Handwerkern mit Beschäftigten. Selbstverständlich kann man auch als Soloselbstständiger im Handwerk sehr gut verdienen, aber zusätzliche Fachkräfte im Betrieb steigern die Chance auf einen sehr hohen Umsatz enorm.

Altersvorsorge ist besonders für Handwerker wichtig

Altersvorsorge im Handwerk ist besonders wichtig, weil der Körper täglich beansprucht wird und Handwerker damit eher früher aus dem Beruf ausscheiden. Während zulassungspflichtige Handwerker sowieso rentenversicherungspflichtig sind , gilt das für zulassungsfreie Handwerke nicht. Machen Sie sich frühzeitig Gedanken um die Altersvorsorge und denken Sie auch bei der Berechnung des Stundenlohns daran.

Häufig gestellte Fragen zur Soloselbstständigkeit

Welche Rechtsform hat ein Einzelunternehmen?

Es gibt keine vorgeschriebene u003ca href=u0022https://ratgeber.blauarbeit.de/dienstleister/rechtsformen-welche-ist-die-richtigeu0022u003eRechtsformu003c/au003e für Einzelunternehmer. Ein Gewerbe hat man in der Regel, sobald man bei der zuständigen Kommune ein Gewerbe anmeldet. In diesem Fall haftet man aber mit dem Privatvermögen und muss bei Zahlungsunfähigkeit Privatinsolvenz anmelden. Will man das vermeiden, sollte man eine Unternehmergesellschaft (UG) oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gründen oder das bestehende Unternehmen in eine der Rechtsformen überführen.

Wo wird ein Einzelunternehmen eingetragen?

Die Eintragung hängt von der Art der u003ca href=u0022https://ratgeber.blauarbeit.de/lexikon/einzelunternehmenu0022u003eEinzelunternehmensu003c/au003e an. Einfache Gewerbetreibende melden das Gewerbe einfach bei der Kommune an und erhalten dann vom Finanzamt einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Freiberufler müssen das Unternehmen nur innerhalb von vier Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit beim Finanzamt anmelden. Kaufmännische Einzelunternehmer müssen das Gewerbe zusätzlich durch einen Notar ins Handelsregister eintragen lassen. Für die Gründung von UGs und GmbHs sind weitere Schritte nötig.

Welche Steuern zahlt man als Einzelunternehmer?

– Einkommensteueru003cbr/u003e- Umsatzsteuer, wenn der Umsatz im vorherigen Kalenderjahr über 22.000 Euro lag oder in diesem Kalenderjahr 50.000 Euro nicht überschreiten wirdu003cbr/u003e- Gewerbesteuer ab einem jährlichen Umsatz von 24.500 Euro (dieser Freibetrag gilt nicht für Kapitalgesellschaften wie die UG oder GmbH)

Bild: mavoimages / stock.adobe.com

Letzte Aktualisierung am 8. Juli 2024 von

Aufträge gesucht? Jetzt Mitglied werden

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen