Plattformökonomie und Phasen der Betriebsführung im Handwerk

Phasen der Betriebsführung im Handwerk

Kaum eine andere Branche bietet so gute Möglichkeiten für eine Betriebsgründung wie das Handwerk. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gab es im Jahr 2018 mehr als 1 Millionen eingetragene Handwerksbetriebe in Deutschland, in denen insgesamt rund 12 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigt waren. 

Doch ein Betrieb verändert sich über die Jahre und durchläuft mehrere Phasen der Betriebsführung und in diesen Phasen muss man sich als Unternehmer verschiedenen Herausforderungen stellen. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben helfen Internetplattformen. Eine Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts zur Plattformökonomie zeigt nun, welche Plattformtypen sich für welche Lebensphase des Betriebs besonders gut eignen.

Verschiedene Entwicklungsphasen eines Handwerksbetriebs

Betriebsgründung

Jeder fängt klein an und gerade bei der Betriebsgründung gilt es zunächst einige Hürden zu überwinden. Es fehlt an Kapitel, man hat noch keine Stammkunden und muss erstmal den Wert der eigenen Arbeit beweisen. Mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht kommt im Handwerk, je nach Gewerk, noch zusätzlich die Anforderung hinzu, dass man Handwerksmeister sein oder einen beschäftigen muss, um einen eigenen Handwerksbetrieb zu gründen. Die Studie stellt in diesem Zusammenhang folgende Herausforderungen für die Entwicklungsphase der Betriebsgründung heraus:

Profitabilität: Negativ

Herausforderungen:

  • Finanzierung
  • Kundenakquise
  • Lieferung des Produkts/der Dienstleistung

Für Betriebsgründer stehen neben Fördermitteln auch Hilfsangebote der Handwerkskammer zur Verfügung. Online-Plattformen jeglicher Art bieten in dieser Phase gleich mehrere Vorteile: Man kann sich einen Überblick zu Zielgruppe und Konkurrenz verschaffen, Bekanntheit erlangen oder erste Kunden akquirieren. 

Existenzsicherung (Funktionsfähiger Betrieb)

Die ersten Herausforderungen sind gemeistert und der Betrieb beginnt langsam sich zu etablieren. Nichtsdestotrotz gehen mit der Existenzsicherung weiterhin einige Herausforderungen einher. Um diese Ziele zu erreichen sind eine gute Auftragslage und der Aufbau eines Kundenkreises besonders wichtig. Wird keine Profitabilität erreicht, kann auch kein Übergang in die nächste Entwicklungsphase erfolgen. Auch hier lohnt es sich, auf Plattformen zurückzugreifen, um weiterhin Kundenakquise zu betreiben, Bestandskunden zu halten und die Auftragslage zu verbessern. 

Profitabilität: Negativ / Breakeven

Herausforderungen:

  • Profitabilität / Liquidität
  • Zunehmende Komplexität

Reife / Erfolgreicher Betrieb

Inzwischen sind Arbeitsprozesse standardisiert und der Betrieb wird endlich profitabel. Handwerker können mit ihrer Arbeit überzeugen, werden weiterempfohlen oder erhalten gute Bewertungen. Zusätzlich gibt es einen Kreis an Stammkunden. Hat man diese Entwicklungsphase erreicht, lässt sich der Betrieb durchaus als erfolgreich bezeichnen. Hier sollte man allerdings nicht stagnieren, sondern über Reinvestition nachdenken, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.

Profitabilität: Positiv, aber Reinvestition wichtig

Herausforderungen:

  • Profitabilität
  • Formalisierung

Expansion (Betriebshöhepunkt)

Der Handwerksbetrieb ist vollkommen etabliert und der Erfolg des aktuellen Geschäftsmodells erreicht in dieser Entwicklungsphase seinen Höhepunkt. Will man allerdings mit seinem Betrieb expandieren – sich also vergrößern und einen neuen Kundenstamm ansprechen – muss man mit neuen Herausforderungen rechnen. Natürlich ist die Expansion auch mit einem gewissen Risiko verbunden, über das man sich vorher klar sein sollte. 

Profitabilität: Positiv mit geringer Rendite

Herausforderungen: 

  • Wachstumsfinanzierung
  • Neue Märkte / Kunden
  • Systematisierung

Sättigung

Die Sättigung ist die letzte Phase eines Handwerksbetriebs. Der Betrieb ist nun fest etabliert, profitabel und generiert Rendite. Auf diesen Erfolg kann man stolz sein, man sollte sich aber nicht darauf ausruhen. Auch wenn der Betrieb jetzt eine stabile Position im Markt hat, muss man auf veränderte Bedingungen weiterhin reagieren und innovativ bleiben.

Profitabilität: Positiv mit Rendite

Herausforderungen:

  • Stetige Optimierung von internen Prozessen
  • Ossifizieren: Fehlende Agilität und Innovation

Vor- und Nachteile verschiedener Plattformen

Auftragsvermittler

Ziel: Generierung von Aufträgen, Markenbildung

Zu den Auftragsvermittlern gehören in der Studie die Plattformen, die zwischen Anbieter (Handwerkern) und Nachfragern (Auftraggeber) vermitteln. Sie agieren nur als Vermittler, den Umfang der Dienstleistungen und die Preise legen Handwerker und Auftraggeber selbstständig fest.

Auftragsvermittler eignen sich – ähnlich wie die Werbeplattformen – für jede Phase eines Betriebs. In den Anfangsphasen kann man sie nutzen, um die ersten Aufträge und Bewertungen zu erhalten, über das Profil Präsenz zu zeigen und sich am Markt zu etablieren. In den späteren Phasen sind Betriebe zwar weniger auf Auftragsvermittler angewiesen, dafür führen die erhaltenen Bewertungen und die höhere Bekanntheit zu mehr Aufträgen und die Kosten sind für einen großen Betrieb nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Franchisemodellen keine Einschränkung bei der Selbstständigkeit und der Markenbildung.

Vorteile:

  • Handwerker legen Umfang der Dienstleistung und Preise selbstständig fest
  • Auftraggeber erhalten Unterstützung bei der Auftragsbeschreibung
  • Anbieter und Nachfrager agieren abgesehen davon sehr frei
  • Interaktion zwischen Dienstleistern und Auftraggebern wird nicht bestimmt, kontrolliert oder überwacht
  • Handwerker können Profile sehr frei anpassen und so Partnervermittler auch als Werbeplattform nutzen
  • Bewertungen schaffen Transparenz und sichern die Qualität
  • Plattformen haben Anreize, den Alltag der Handwerker durch zusätzliche Werkzeuge zu erleichtern (zum Beispiel Kalkulationstools, Buchhaltung, Terminverwaltung) 

Nachteile:

  • Konkurrenz um Aufträge kann stärker sein, wenn das Verhältnis zwischen Handwerkern und Aufträgen in einer Region unausgeglichen ist

Gebührenmodelle:

  • Monatliche Zahlung
  • Gebühr für qualifizierte Aufträge
  • Provision pro Auftrag

Werbeplattformen

Ziel: Generierung von Kontakten, Markenbildung

Werbeplattformen umfasst alle Plattformen, die Betrieben eine Möglichkeit gibt, ihr Portfolio für Kunden auffindbar und attraktiv darzustellen. Das kann die eigene Website sein, das Blauarbeit-Profil oder ein Firmenkonto bei Instagram.

Vorteile

  • Die meisten Funktionen sind kostenlos
  • Schneller Aufbau einer Onlinepräsenz möglich
  • Keine Kontrolle des Plattformanbieters über angebotene Waren, Dienstleistungen und Preise
  • Preise spielen kaum eine Rolle, sondern Attraktivität der Leistung
  • Likes, Klicks und Kommentare geben direkte Feedbackmöglichkeit
  • Plattformbetreiber schaffen einen Raum zur Leistungsschau und ggf. Verlinkung zu Webseiten der Anbieter

Nachteile

  • Betriebe müssen Zeit investieren und Werbeplattformen regelmäßig nutzen
  • Gute Sichtbarkeit oft abhängig vom Geld des Betriebs (zum Beispiel bei Werbung Facebook, Instagram, Google)

Beispiele: Blauarbeit, Instagram, pinterest, Facebook

Gebührenmodelle: Ggf. Teilnahmegebühr. Gestaffelte Preise je nach gewünschtem Werbeumfang.

Onlineshops

Ziel: Kontaktanbahnung und Abschluss zwischen Handwerkern und Auftraggebern

Onlineshops sind nicht nur für Handwerksbetriebe von Bedeutung und bieten eine Möglichkeit, hergestellte Waren ohne den Aufbau eines eigenen Onlineshops zu verkaufen. Wie sinnvoll die Nutzung eines Onlineshops ist, hängt ganz von den verkauften Produkten eines Betriebs ab. Theoretisch sind Onlineshops in jeder Lebensphase eines Betriebs nutzbar, nur in den Anfangsphasen kann es sein, dass sich der logistische Zusatzaufwand nicht lohnt.

Vorteile

  • Onlinepräsenz
  • Preisfindung ist nicht in der Kontrolle der Plattformbetreiber
  • Preisdynamik ergibt sich auf Basis von Angebot und Nachfrage
  • Einfache Bewertungsmechanismen sorgen für Vertrauen
  • Viel Freiheit bei den angebotenen Waren und Dienstleistungen
  • Zugang zu neuen Märkten und Kunden

Nachteile

  • Operativer und administrativer Aufwand
  • Hohe Kapitalbindung
  • Für Betriebe mit festen Produkten besser geeignet

Gebührenmodelle:

  • Meist Provision in % des Auftragswerts
  • Manchmal einmalige oder wiederkehrende Teilnahmegebühr

Beispiele: ebay, materialrest24, manopus

“Infrastruktur-Anbieter”

Ziel: Kontaktanbahnung und -abwicklung zwischen Anbieter und Nachfrager

Infrastrukturanbieter gehen quasi den Mittelweg zwischen Partnervermittlern und Franchise-Modellen. Handwerker haben hier zwar nicht die Freiheit, die ihnen bei Partnervermittlern bleibt, sie müssen aber ihre Marke auch nicht komplett für das Franchise aufgeben. Die Auftragsvermittlung macht diese Anbieter sehr attraktiv für junge Unternehmen, die Abhängigkeit vom Anbieter brauchen reifere Betriebe aber eher nicht. Das macht die Anbieter zwar nicht zwingend ungeeignet, aber man sollte als unabhängiger Betrieb genau auf die Nutzungsbedingungen achten.

Vorteile

  • Kundenakquise & Kapazitätsauslastung
  • Geringer administrativer Aufwand
  • Vertrauensvorschuss
  • Preishoheit beim Handwerker
  • Plattformbetreiber bieten Handwerkern organisatorische Infrastruktur (z.B. Onlinewerkzeug zur Angebotskalkulation), die es ihnen ermöglicht, sich auf das Kerngeschäft ihres Gewerbes zu fokussieren

Nachteile

  • Einschränkung der Selbstständigkeit möglich (je nach Anbieter)
  • Handwerker sind mithilfe standardisierter Verträge an definierte Vorgaben der Plattformbetreiber gebunden (z.B. Service-Levels, Angebotsumfang)
  • Der Entscheidungsspielraum von Handwerkern als eigenständige Unternehmer wird ggf. mit Blick auf die Produktauswahl eingeschränkt

Gebührenmodell: Teilnahmegebühr für Handwerker oder Provision

Beispiele: Caroobi, Vaillant, helpling

Franchiser

Ziel: Handwerker als analoger Arm der digitalen Plattform

Bei Franchisemodelle erhalten die Kunden ein Fixpreis-Angebot, das die Plattform an die bestimmte Handwerksbetriebe weiterverkauft. So kommen Handwerksbetriebe zwar auch an hochwertige Aufträge, aber sie verzichten komplett auf die eigene Unternehmenspräsenz.

Franchisemodelle sind in den Phasen der Gründung und Existenzsicherung zwar sehr praktisch und erleichtern den handwerklichen Einstieg, aber sie sorgen für eine starke Abhängigkeit vom Anbieter. Selbstständiges Wachstum über die Grenzen des Franchise hinaus ist ohne Trennung vom Anbieter nicht möglich.

Vorteile

  • Kundenakquise & Kapazitätsauslastung
  • Kein administrativer Aufwand
  • Vertrauensvorschuss

Nachteile

  • Plattformbetreiber kontrolliert die Kommunikation Kunde-Handwerker und Handwerker-Lieferant
  • Einschränkung Selbstständigkeit, Markenbildung und Wachstum
  • Marge begrenzt
  • Standardsysteme
  • Keine Reputationsbildung
  • Partnerbetriebe müssen strikte Voraussetzungen erfüllen (Vorteil für Kunden)
  • Ggf. Expansion mit ausschließlichem Fokus auf Plattformgeschäft möglich

Mögliche Gebührenmodelle

  • Aufnahmegebühr
  • monatliche Teilnahmegebühr
  • Provision je Auftrag

Betriebe mit Plattformcharakter

Betriebe mit Plattformcharakter wirken auf den ersten Blick wie Vermittlungsplattformen zwischen Auftraggebern und selbstständigen Handwerkern, sind aber selber Handwerksbetriebe. Sie sind für selbstständige Handwerker also in so gut wie keiner Unternehmensphase relevant, sondern agieren vor allem als Konkurrenten. Nützlich sind sie nur als Übernahmemöglichkeit für Mitarbeiter, wenn der eigene Betrieb finanzielle Schwierigkeiten hat oder sogar aufgegeben wird.

Beispiele: banovo.de, kesselheld.de, thermondo.de

Welche Plattformen eignen sich für welche Phase?

Auftrags-
vermittler
Online-
shops
Werbe-
plattformen
Infrastruktur-
Anbieter
Franchise-
modelle
Gründung?
Existenzsicherung?
Reife??
Expansion??/❌
Sättigung??
✅ = Geeignet, ? = Bedingt geeignet, ❌ = Nicht geeignet

Dieser Artikel ist entstanden mit freundlicher Unterstützung von Johannes Trenkle vom Ludwig Fröhler Institut für Handwerkswissenschaften. Die gesamte Studie mit allen Ergebnissen finden Sie hier.

Bild: Andrey Popov / stock.adobe.com

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